Einmal beim Ironman auf Hawaii starten – ein Traum eines jeden Triathleten. Auch ich hegte diesen Traum, seitdem ich 2020 durch ein inspirierendes Video über den Ironman Hawaii zum Triathlon gekommen bin. Aber niemals hätte ich gedacht, dass ich mir diesen Traum dieses Jahr oder überhaupt jemals erfülle. Doch vor vier Monaten bei meinem ersten Ironman in Frankfurt konnte ich mich qualifizieren.
Am 3.10. kamen wir nach einer langen Anreise endlich in Kona an. Überraschend für uns war die hohe Luftfeuchtigkeit, obwohl es bereits spät am Abend war. Vorher konnte ich mir nicht vorstellen, wie hoch die Luftfeuchtigkeit ist. Doch nun bekam ich noch mehr Respekt vor dem Rennen. Mit traditionellen Blumenketten wurden wir von dem Hannes Hawaii Tours Team, mit dem wir die Reise gebucht haben, herzlich begrüßt. Unser Gepäck und zum Glück auch mein Radkoffer kamen unbeschadet am Flughafen an. Hannes brachte uns und die anderen Athletinnen höchstpersönlich in einem großen, amerikanischen Schulbus zu den Hotels. Dort angekommen bauten wir noch schnell mein Rad auf, da am nächsten Morgen direkt eine Ausfahrt anstand. Wir wurden von Hannes Team nach Hawi, dem Wendepunkt der Radstrecke, gefahren. Von dort fuhren wir 90 km nach Kona zurück. Ich bekam einen ersten Eindruck von der Hitze, den extremen Seiten- und Gegenwinden, den Lavafeldern und dem berühmten Highway. Es fühlte sich total unwirklich an, endlich dort trainieren zu dürfen. Ein Koppellauf auf dem Ali´i Drive durfte natürlich auch nicht fehlen. Aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit war ich bereits nach wenigen Minuten nassgeschwitzt. Auch die Höhenmeter waren mehr, als ich es erwartet habe. Aber es war ein unbeschreibliches Gefühl, auf dem Ali´i Drive zu laufen. Nachmittags konnte ich es mir nicht nehmen lassen, eine erste Runde im Meer zu schwimmen, um mich an das Salzwasser zu gewöhnen. Es war einfach herrlich, durch das glasklare Wasser zu schwimmen und die Fische zu beobachten. Den restlichen Tag genossen wir die Atmosphäre in Kona. Auf dem Ali´i Drive sieht man den ganzen Tag über Sportler, die mit ihren High-End-Rädern fahren oder laufen gehen. Das war sehr beeindruckend und motivierend zu sehen.
Am Sonntag fand früh morgens der Ho´ala Ironman Training Swim statt. Geplant war, die Schwimmstrecke von 3,8 km zu schwimmen. Jedoch wurde die Distanz aufgrund von zu wenigen Volunteers auf 2,7 km gekürzt. Für mich war es dennoch die längste Strecke, die ich jemals im Meer geschwommen bin. Die anderen Athletinnen zu sehen, hat Vorfreude auf den Renntag gemacht. Nachmittags stand ein Lauf von gut einer Stunde an, um mich weiter zu akklimatisieren. Aber bei der wunderschönen Natur, dem rauschenden Meer, den vielen anderen Athletinnen und Passanten, die einem viel Erfolg wünschen, nimmt man die Hitze und die Luftfeuchtigkeit gerne in Kauf.
Die eigentliche Rennwoche begann am Montag mit einem Schnorchelausflug, organisiert von Hannes Hawaii Tours. Wir sahen Delfine, beobachteten viele bunte Fische und hielten nach Papageien Ausschau. Das war eine willkommene Ablenkung vom Triathlonwahnsinn.
Die nächsten Tage starteten mit einem morgendlichen Schwimmen zum berühmten Cofffee Boat. Ein Kaffee und ein AG1 im Meer mit anderen Athleten zu genießen, war wirklich herrlich. An einem Morgen kamen uns die Delfine sogar richtig nah, zeigten, wie hoch sie springen können und schwammen mehrmals unter uns durch. Auch eine Schildkröte haben wir gesehen. Aber im Gegensatz zu den Delfinen hat sie sich relativ schnell unter einem Stein versteckt, als sie uns Schwimmer mit den bunten Badekappen entdeckt hat. Eine unvergessliche Erfahrung.
In der Rennwoche folgten weitere Highlights:
Am Dienstagnachmittag fand die Nationenparade statt. Dabei versammelten sich alle Athletinnen nach Nationen sortiert und gingen gemeinsam über den Ali’i Drive. Die Deutschen stellten mit knapp über 200 Athletinnen die zweitgrößte Nation hinter den USA.
Am Mittwoch öffnete endlich die Registrierung, wodurch das Rennen ein wenig realer wurde. Der Rucksack, den man bei der Anmeldung bekommt, ist jedes Mal eine Freude. Auch die Besuche des großen Merchandise Zelts und der Messe lösten Glücksgefühle aus. Dort waren wir dementsprechend mehr als einmal und gaben viel zu viel Geld aus. Doch ein Shirt mit dem eigenen Namen drauf muss leider sein. Außerdem fand die offizielle Wettkampfbesprechung statt sowie ein von Hannes Hawaii Tours organisiertes, originell gestaltetes Racebriefing mit Tipps von Profiathletin Jana Uderstadt und Trainer Philipp Seipp. Der anschließende Sonnenuntergang rundete den schönen Nachmittag ab.
Am Donnerstagabend veranstaltete Ironman ein Welcome Banquett unter dem Motto der diesjährigen Weltmeisterschaft „Ho’oikaika“ (dt. Resilienz), bei dem uns die hawaiianische Kultur durch traditionelle Tänze und eine Feuershow nähergebracht wurde. Auch die beiden Ironman-Gründer Judy und John Collins, die 1978 den ersten Langdistanztriathlon initiierten, waren vor Ort und wurden geehrt. Nicht zuletzt standen wir Athletinnen im Mittelpunkt und wurden gefeiert. Ich spürte eine unendliche Dankbarkeit, das alles erleben zu dürfen.
Mit dem Bike-Check-In und der Beutelabgabe am Freitag wurde mir endlich bewusster, dass ich wirklich den Ironman auf Hawaii machen werde. Nachdem ich mein Rad abgegeben hatte, war nur noch Füße hochlegen und Entspannung auf dem Balkon mit Aussicht auf das Meer angesagt. Herrlich!
Am Renntag klingelte der Wecker um 3:30 Uhr. Nachdem die letzten Vorbereitungen getroffen wurden (Eincremen, Frühstücken und Startnummerntattoos anbringen) und ich von meiner Familie mit selbstbedruckten Supporter-T-Shirts überrascht wurde, nahmen wir den Shuttle von Hannes Hawaii Tours zur Wechselzone. Dort wurden wir von den zahlreichen Volunteers bereits gefeiert wie die Profis. Diese Unterstützung hat mir trotz extremer Anspannung, Aufregung und Konzentration ein Lächeln auf die Lippen gezaubert. Als ich mein Rad final vorbereitete und Luft auf die Reifen pumpen wollte, gab es einen kurzen Schockmoment. Mein Ventil am Hinterreifen war nämlich zu kurz für die Luftpumpe, wodurch ich plötzlich einen komplett platten Reifen hatte. Im dritten Anlauf habe ich aber zum Glück eine passende Luftpumpe gefunden. Einem erfolgreichen Rennen konnte nun nichts mehr im Wege stehen. Gegen 7 Uhr reihte ich mich in der Schlange zum Start mit den anderen Athletinnen meiner Altersklasse ein. Unter den Zuschauern entdeckte ich erfreut meine Vereinskollegin Silja mit ihrem Mann und ihrem Baby. Die drei machten gerade eine Weltreise und hatten diese so geplant, dass sie extra zum Ironman auf Hawaii sind, um mich anzufeuern. Während wir aufgeregt auf den Start warteten, sahen wir Lucy Charles-Barclay aus dem Wasser kommen und durch die Wechselzone zum Rad rennen. Das hat mir nochmal einen Motivationsschub gegeben. Kurz darauf durfte meine Altersklasse endlich ins Wasser. Wir waren die vorletzte Startgruppe und starteten eine Stunde nach den Profis. Zur Startlinie mussten wir noch ein gutes Stück schwimmen, so 100-200 m schätze ich. Dort mussten wir dann nochmal ca. 5 min bis zum Startschuss warten. Wir trieben im Wasser hin und her und jeder versuchte, sich eine gute Position zu ergattern. Als das Startsignal endlich fiel, versuchte ich, so wenig Arme und Beine wie möglich von den anderen Schwimmerinnen abzubekommen. Das Feld hat sich aber zum Glück relativ schnell auseinandergezogen und ich konnte die meiste Zeit ungestört schwimmen. Teilweise hatte ich sogar gar keine Athletinnen um mich herum. Leider war das Meer ziemlich wellig, weshalb es mir schwerfiel, in einen guten Rhythmus zu kommen. Irgendwann holten mich sogar Schwimmerinnen aus der Startgruppe nach mir ein. Aber ich machte weiter mein Ding und ließ mich von einer langsameren Schwimmzeit als sonst nicht beirren. Entschädigt wurde ich von mehreren Delfinen, die sogar zweimal unter mir durchschwammen. Das war unvergesslich! Nach 1:20 h war ich endlich wieder beim Pier angekommen, spülte kurz das Salzwasser ab und schwang mich dann aufs Rad. Mit lauten Anfeuerungsrufen von meiner Supportercrew ging es erstmal ein Stück durch Kona durch, dann die Palani Road hoch und endlich auf den Highway. Auf dem Hinweg nach Hawi hatten wir zunächst viel Rückenwind und ich hatte gut
Beine. Als dann aber der Anstieg nach Hawi kam, änderte sich meine Stimmung. Es wurde immer heißer, wir hatten nur Gegenwind und der Anstieg nahm kein Ende. Bei jeder Verpflegungsstation versuchte ich, mich mit Wasser herunterzukühlen. Ich war wirklich froh, als ich am Wendepunkt ankam. Aber auch auf dem Rückweg hatten wir hauptsächlich Gegenwind oder Seitenwind. Das hat meine Motivation ordentlich gemindert. An den Verpflegungsstationen nahm ich irgendwann nicht mehr nur Wasser, sondern auch Cola. Das war nötig, damit meine Motivation nicht ganz verloren ging. Mit dem Wind hatte ich wirklich zu kämpfen. Aber ich war froh, dass ich keinen Platten hatte. An der Strecke habe ich leider ziemlich viele Mädels mit einem Defekt gesehen. Als ich in der Wechselzone ankam, wusste ich, dass ich es ins Ziel schaffen kann, denn auf das Laufen freue ich mich immer am meisten und es liegt mir auch am besten. Am Streckenrand entdeckte ich auch endlich wieder meine Familie. Das gab mir neue Motivation. Die ersten 10 km läuft man auf dem Ali’i Drive. Ich hatte richtig Spaß dabei und versuchte, nicht zu überpacen. An der Palani Road stand wieder meine Familie, die mich lautstark anfeuerte. Voller Freude blieb mir nichts anderes übrig, als den Berg hochzulaufen und nicht zu gehen, so wie es die meisten Athletinnen um mich herum getan haben. Mit vollem Herzen ging es nun auf den Highway und immer nur gerade aus. Alle 1,6 km gab es eine Verpflegungsstation. Jedes Mal schüttete ich mir so viel Wasser wie möglich über den Kopf, trank Cola und Iso und steckte zum Schluss noch ganz viel Eis in meinen Einteiler. Die Volunteers waren wirklich super und haben uns zugejubelt als wären wir die Profis. Nach 22 km ging es in das berühmte Energy Lab. Dort hatte ich beim Laufen zum ersten Mal mental zu kämpfen, weil die Strecke im Energy Lab einfach kein Ende nahm. Als ich dann endlich den Wendepunkt erreicht hatte, bekam ich neue Motivation. Bis km 35 ging es mir wirklich erstaunlich gut. Dann fiel es mir plötzlich schwer nach den Verpflegungsstationen wieder loszulaufen. Der Marathon nahm irgendwie kein Ende. Ich musste mich extrem motivieren und mit mir selber reden, dass es nicht mehr weit sei. Als das Ende des Highways in Sicht war und ich nur noch die Palani Road runter musste, bekam ich neue Energie. Wenn man die Palani Road herunterrennt, kann man schon das Ziel hören und hat das Gefühl, in wenigen Augenblicken anzukommen. Dies ist allerdings ein Trugschluss, da man noch einen Schlenker von gut einer Meile laufen muss. In diesem Moment entdeckte ich Silja, die wirklich nochmal zum richtigen Zeitpunkt an der Strecke stand und mich pushte. Als ich dann endlich rechts auf den Ali’i Drive in Richtung Ziel abbiegen konnte, wusste ich, dass ich es geschafft hatte. Den Zieleinlauf habe ich sehr genossen. Nach 11:24:22 h lief ich mit einer TV Langen Flagge durch den Zielbogen. Im Ziel nahmen mich meine Eltern in Empfang, die sich spontan als Finish Line Catcher gemeldet hatten. Es war so schön zu sehen, wie sie sich darüber freuten, dass ich es ins Ziel geschafft habe. Sie waren unglaublich stolz auf mich, was ein sehr schönes Gefühl ist.
Ich hatte mit meiner Supportercrew eine richtig tolle Zeit auf Hawaii. Das Rennen wird unvergesslich bleiben!